Mit dem Baubeginn des Simplontunnels kam in Bern die Idee auf, neben der Gotthardlinie eine weitere Alpentraverse zu bauen, welche die Simplonstrecke an die restliche Schweiz anbinden sollte. Verschiedene Varianten wurden ausgearbeitet. James Ladame schlug einen Tunnel von Blausee-Mitholz nach Leuk vor. Weitere Vorschläge, unter anderem ein Tunnel von Selden (Gasterntal) nach Wiler (Lötschental) sowie auch die gebaute Variante, kamen von Wilhelm Teuscher. Ein weiterer Vorschlag kam von Ernst von Stockalper. Dieser wollte einen Tunnel unter dem Wildstrubel über Leukerbad nach Lenk im Simmental bauen. Ab 1902 wurden alle Varianten detailliert analysiert und schliesslich entschieden dass die Variante unter dem Wildstrubel die beste sei. Das Pro-Lötschbergkomitee überprüfte nach der Niederlage das Projekt Wildstrubel erneut und stellte fest, dass diverse Berechnungen falsch angestellt wurden und die Linie zum angegebenen Preis auf keinen Fall gebaut werden konnte. 3 Varianten wurden anschliessend detailliert ausgearbeitet und die Variante welche eine Steigung von 27 ‰ und mit elektrischer Traktion vorsah schliesslich gutgeheissen. Am 27. Juli 1906 wurde schliesslich in Bern die «Berner Alpenbahn-Gesellschaft» gegründet. An diese wurde die 1899 erteilte Konzession zum Bau und Betrieb der Lötschberglinie übergeben. Der Auftrag zum Bau der Linie wurde am 27. Juli 1906 an die französische «Entreprise Générale de Construction du Lötschberg EGL» erteilt.

Baubeginn

Zwischen Juli und Oktober 1906 wurden die Vermessungsarbeiten ausgeführt. Bereits am 15. Oktober begannen anschliessend die Hauptarbeiten in Kandersteg. Am 28. November wurde auch in Goppenstein mit dem Ausbruch begonnen. Zu Beginn wurden die Arbeiten noch mit Schaufel und Pickel ausgeführt. Erst Anfangs 1907 wurden auf der Nordseite mechanische Bohrmaschinen in Betrieb genommen. In Goppenstein musste man sich bis 1908 gedulden, bis die ersten Druckluftbohrvorrichtungen in Betrieb genommen werden konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren erst 195 Meter ausgebrochen. Der erste Zug der Baubahn erreichte Goppenstein am 19. August 1908. Bis zu diesem Zeitpunkt musste sämtliches Material über einen schmalen Saumweg transportiert werden.

Installationsplatz Goppenstein

Allein in Goppenstein waren teilweise über 1 000 Personen beschäftigt. Viele der Arbeiter brachten auch ihre Familien mit. So lebten in Goppenstein teilweise über 3 000 Personen. Um alle Leute unterbringen zu können wurden zwischen Goppenstein und Mittal zahlreiche Baracken errichtet (Bereich Nr 4 auf dem Plan). Zusätzlich baute man auch Schulen, Krankenhäuser, Geschäfte und Restaurants. In Goppenstein gab es sogar ein Kino und eine Poststelle (Bereich Nr 5 auf dem Plan). Im Bereich des zukünftigen Tunnelportals (Nr 1 auf dem Plan) wurden Werkstätten und weitere Dienstgebäude erstellt (Bereich Nr 2 auf dem Plan). So konnten die Werkzeuge und Züge direkt vor Ort repariert und instand gestellt werden.

Um das ganze Material von und zu den unterschiedlichen Baustellen zu transportieren wurden in Goppenstein 5 390 m Gleise mit einer Spurweite von 75mm verlegt. Um alle Gleise zu verbinden wurden zudem 40 Weichen eingebaut. Im Einsatz standen 11 Lokomotiven, 270 Güterwagen und 30 Personenwagen. Die 5 Pressluftlokomotiven wurden im Tunnel eingesetzt während die 6 Dampflokomotiven die Züge von und nach Brig bespannten.

Die Installationen und Gebäude in Goppenstein wurden ab Anfang 1912 zurückgebaut da diese nicht mehr benötigt wurden. Bis Ende 1912 waren die meisten Gebäude der Bauzeit verschwunden und den neuen Bahnanlagen gewichen.

Tunnelbau

Für den Bau des Lötschbergtunnels wurde das englische Bausystem angewendet. Dabei werden zuerst ein Sohlen- und ein Firststollen in den Berg getrieben. Von diesen beiden Stollen aus erfolgt dann der Vollausbruch des Tunnels. Für den Vortrieb wurden zuerst Löcher in den Fels gebohrt, welche anschliessend mit Sprengstoff gefüllt wurden. Nach der Sprengung musste das Geröll weggeschafft und neue Löcher gebohrt werden. Bis zu sechsmal pro Tag wurde gesprengt. Nach dem Ausbruch muss noch das Gewölbe verkleidet werden. Mit diesem System konnten durchschnittlich 4.98 m pro Tag ausgebrochen werden.

Natürlich musste der Tunnel während der ganzen Bauzeit belüftet werden. Dazu wurde in Goppenstein, direkt neben dem Tunnelportal ein Ventilatorgebäude errichtet. Durch einen Seitenstollen gelangte die frische Luft in den Hauptstollen. Zum Einsatz kamen zwei Zentrifugalventilatoren mit einem Durchmesser von 3.5 m. Im fertiggestellten Abschnitt des Tunnels wurde eine vertikale Scheidewand gebaut. Durch den dadurch entstandenen Wetterkanal wurde die frische Luft in den Tunnel geblasen. Am Ende des Wetterkanals wurden zwei fahrbare Ventilatoren installiert, welche die Luft durch Rohrleitungen bis zu den Arbeitsstellen brachten.

Unfälle

Auch Unfälle und Krankheiten gehörten bei einem solchen Bauprojekt dazu. Um Verletzte zu betreuen, wurde sowohl in Kandersteg als auch in Goppenstein ein Krankenhaus mit bis zu 40 Betten eingerichtet. Zudem gab es im Tunnel Sanitätsposten um Verletzte sofort betreuen zu können. Während der ganzen Bauzeit gab es 4 596 Verletze und 64 Todesopfer. Rund die hälfte der Todesopfer fällt auf zwei schwerwiegende Ereignisse.

Am 29. Februar 1908 ging in Goppenstein eine Staublawine nieder, welche das Hotel der Unternehmung zerstörte. Der Lawinenniedergang ereignete sich während das Personal im Hotel am Nachtessen war. 12 Personen, davon 2 von fremden Firmen, konnten nur noch tot geborgen werden. Weitere 15 Personen wurden beim Lawinenniedergang verletzt. Die Arbeiten konnten erst einen Monat später wieder aufgenommen werden, nachdem eine Lawinenwache organisiert worden war. Die Lawinenwache trat bei lawinengefährlichem Wetter in Dienst und war für den Schutz der Arbeiter zuständig.

Nur ein paar Monate nach dem Lawinenunglück, am 24. Juli 1908, gab es auf der Nordseite einen Wasser- und Materialeinbruch im Stollen. Der Einbruch ereignete sich unter dem Gasterntal als der Stollen vom festen Fels in das Flussgeschiebe der Kander vorgetrieben wurde. In nur 15 Minuten wurde der Stollen auf 1 100 m mit Flussgeschiebe aufgefüllt. 25 Arbeiter wurden vom Schuttstrom erfasst und verschüttet. Nur wenige der Arbeiter konnten geborgen werden. Die Trasse musste nach dem Einbruch umgeleitet werden. Der Eingestürzte Bereich wurde zugemauert.

Der Durchschlag

Schon Wochen vor dem Durschlag mussten Vorbereitungen zum Schutz der Arbeiter getroffen werden. So wurden beispielsweise die Sprengungen nach vorheriger Absprache jeweils gleichzeitig vorgenommen. Bereits einige Tage vor dem Durchschlag waren die Bohrer der jeweiligen Gegenseite zu hören. Am 31. März 1911 um kurz nach 2 Uhr brach ein Bohrer der Südseite in den Stollen der Nordseite ein. Die letzte ca. 80cm wurden anschliessend von der Nordseite her gesprengt. Um 3:55 Uhr war die Sprengung vorüber und der Tunnel durchbrochen. Am 1. April wurde der Durchschlag in Kandersteg und in Goppenstein gefeiert. Das gesamte Personal wurde anschliessend am 10 April für ein Fest in Kandersteg eingeladen, wobei das Personal der Südseite durch den soeben durchbrochenen Tunnel nach Kandersteg gelangte.

Die Fertigstellung

Mit dem Durchschlag war der Tunnel natürlich noch nicht fertig. Es musste noch der Vollausbruch und die Mauerung fertig gestellt werden. Der Vollausbruch konnte genau ein Jahr nach dem Durchschlag am 31. März 1913 fertig gestellt werden. Die Mauerung war am 22. April ebenfalls beendet. Aus ökonomischen Gründen wurden die letzten Arbeiten ab Januar 1912 nur noch von Kandersteg her weitergeführt und die Siedlung in Goppenstein aufgelöst. Nach dem Einschottern der beiden Gleise und nach der Fertigstellung der elektrischen Ausrüstung verkehrte am 3. Juni 1913 der erste Zug durch den neuen Tunnel.